Bildung aus der Dose für die Fachkräfte von gestern

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Ah, der Konserventag!

Ein Tag, der sich anfühlt wie das alljährliche Raclettefieber zu Silvester: Man kramt begeistert alte Reste hervor, die sonst niemand anrühren würde, und zaubert daraus etwas, das mit ein bisschen Käse obendrauf plötzlich nach einem Plan aussieht.

Oder, noch treffender: wie jene Konservendosen, die wir während der Pandemie frisch von Spinnweben befreit haben, um erleichtert festzustellen: „Das ist noch gut, das kann man noch essen!“

Doch genau das ist der Trick: Wir halten an diesen Konserven fest. Weil wir glauben, dass sie doch irgendwie noch gut sind. Wie könnte etwas schlecht sein, das uns so lange begleitet hat?

Bildungstechnisch wird die duale Ausbildung dabei wie einer dieser Dosen im hintersten Schrankeck behandelt – praktisch, solide, nahezu unzerstörbar. Aber eben auch: vergessen, überholt und oft nur geöffnet, wenn nichts anderes mehr da ist.

Wir wagen einen Blick in die Konservendose der Pandora.


Die Berufsschule: Ein Museum für pädagogische Fossilien

Man stelle sich eine handelsübliche Berufsschule vor. Einer dieser erhabenen Lehranstalten, erbaut mit Stahlbeton, Asbest und Rigipsplatten.

Dort als man festgelegt hat, dass man auf futuristische Technologien wie „Telefax“ und „ISDN“ aufbauen möchte und seitdem dabei geblieben ist.

Fachkräfte von Morgen lernen bis heute Dinge, die selbst Wikipedia als Relikt der Vergangenheit bezeichnen würde.

Aber warum? Weil es ja wichtig ist, die Vergangenheit zu verstehen – oder zumindest so zu tun, als hätte sie noch Relevanz. Die Lehrbücher sind wie antike Dosenwurst: längst abgelaufen, aber dennoch zum Verzehr freigegeben, „weil man ja nichts wegwerfen möchte“.

Doch was macht das mit dem Azubi? Nun, er sitzt dort und lernt das kulturelle Äquivalent dazu, wie man einen Brieftauben-Server einrichtet, während draußen die Zukunft von Cloud Computing schon 15 Jahre alt ist und selbst bald eine Ausbildung anfangen könnte.

Aber das ist okay! Die Berufsschule ist ja auch keine Lernstätte mehr, sondern vielmehr ein Stempelamt. Ein Ort, an dem der Betrieb sicherstellen kann: „Er war da, ich hab’s gesehen!“

Bildung? Nebensache. Es geht um Bürokratie, nicht um Inspiration. Und das ist okay. Denn „das haben wir schon immer so gemacht.“


Der Ausbildungsbetrieb: Der Masttrichter der Kompetenz

Aber es gibt ja noch den Betrieb.

Eine präzise Maschine, ein Leuchtturm der Praxis – zumindest in der Theorie.

In der Praxis gleicht er oft eher einem Masttrichter: Man stopft alles Mögliche hinein, in der Hoffnung, dass unten etwas Nützliches herauskommt.

Der Azubi, dieses nach Wissen, Fertigkeiten und Weisheit hungerende Wesen, wird hier solange mit Kompetenzen gefüttert bis sich eine Form ergibt.

Der Prozess ist dabei so effizient wie das Befüllen einer Konservendose mit einem Presslufthammer: Sofort, schnell und absolut kompromisslos. Es wird gedrückt, geschoben und gequetscht, bis aus dem Azubi ein handfester Facharbeiter wird – oder zumindest etwas, das vage daran erinnert.

Kreativität? Ein Fremdwort.

Eigeninitiative? Eine historische Fußnote.

Der Ausbildungsbetrieb ist wie eine Konservendose ohne Etikett: Niemand weiß, was wirklich drin ist, aber so lange sie nicht aufgeht, ist alles in Ordnung.

Und der Azubi? Der gleicht dem Dosenfleisch, das man nur dann verwendet, wenn niemand genauer hinschaut – irgendwie haltbar, irgendwie nützlich, aber selten ein Genuss.


Die perfekte Synergie der Bedeutungslosigkeit

Und nun bringen wir diese beiden großartigen Systeme zusammen: die Berufsschule und den Betrieb.

Was erhalten wir? Ein Bildungswesen, das so relevant ist wie ein VHS-Kurs in Hieroglyphenmalerei.

Die Berufsschule liefert nutzloses Wissen, der Betrieb ignoriert die Persönlichkeitsentwicklung.

Das Ergebnis?

Junge Menschen, die nach drei Jahren ein Zeugnis haben, aber keine Idee, was sie damit anfangen sollen.

Ausbildungsbetriebe die sich wundern, warum sie keine kompetenten Fachkräfte haben, die zukunftstragende Innovationen in die Unternehmen bringen.

Und natürlich Berufsschulen die davon überzeugt sind, dass ISDN immer noch eine zeitgenössische Technologie ist.

Willkommen in der Ära der zertifizierten Orientierungslosigkeit. Die Ausbildung hat sie konserviert, die Berufsschule hat sie etikettiert, und die Wirtschaft schaut ratlos in die Dose und fragt sich, warum der Inhalt nicht schmeckt. Vielleicht, weil niemand nach dem Ablaufdatum gefragt hat?


Raus aus der Dose: Wie die duale Ausbildung wieder frisch und lebendig wird

Und hier stehen wir nun, vor dem prall gefüllten Regal der Bildungsdosen, und fragen uns: „Wie lange kann man das noch essen?“ Die Antwort: Nicht mehr lange.

Es reicht nicht, am institutionellen Kulturkapital festzuhalten – dem Kram, den man in Lehrpläne schreibt und dann für Jahrzehnte vergisst.

Nein, wir müssen endlich an das inkorporierte Kulturkapital ran: die Prägung durch Menschen, die Werte, die Denkweisen, das Lebendige. Kurz: Alles, was aus Azubis mehr macht als bloßes Dosenfleisch.

Wenn wir Fachkräfte wollen, die nicht nur nach Plan arbeiten, sondern gestalten, dann brauchen wir mehr als Trichter. Wir brauchen Räume, in denen Azubis experimentieren, lernen, scheitern und wachsen können. Wir brauchen konstruktivistische Ansätze, die die Neugier fördern – nicht behavioristische Modelle, die stumpfes Wiederholen belohnen. Denn je mehr wir auf die Wiederholung setzen, desto besser bereiten wir sie darauf vor, von Maschinen ersetzt zu werden. Und Maschinen sind bekanntlich nicht schlecht im Wiederholen.

Die duale Ausbildung muss endlich die Dosen verlassen. Wir brauchen frische, lebendige Ansätze. Individuelle Lernpfade und digitale Technologien. Plattformen wie Talent2Go die Ausbilder:innen dazu befähigen mehr zu sein, als bloße Wissenslieferanten.

Nur so schaffen wir eine Generation, die nicht nur existiert, sondern gedeiht.

In diesem Sinne: Prost Mahlzeit!

Und vergessen Sie nicht: Nicht jede Konserve ist schlecht – aber manchmal muss man trotzdem was Frisches kochen.

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