Warum Azubis keine Zimmerpflanzen sind

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Heute ist der Tag der Zimmerpflanzen.

Ein Tag für jene tapferen grünen Mitbewohner, die unter widrigsten Bedingungen ihr Dasein fristen. Zimmerpflanzen: die letzten wahren Überlebenskünstler. Und gleichzeitig die einzigen Lebewesen, die man mit zu viel Liebe ertränken und mit zu wenig Aufmerksamkeit verdursten lassen kann.

Sind wir mal ehrlich: Der durchschnittliche Haushalt ist kein Zuhause für Flora. Nein, der Haushalt ist ein botanisches Hospiz.

Ein Ort, an dem die Blätter ihr Lebensabend verbringen und von leisem Blätter rascheln träumen. Die präterminale Endstation für alles, was einst im Baumarkt Hoffnung hatte.

Hier kommen Pflanzen, um zu sterben – still, heimlich, meist staubbedeckt, und oft unter dem Blick eines leicht schlechten Gewissens.

Und in genau diesen Haushalten begegnen wir einem faszinierenden Phänomen: Schrödingers Zimmerpflanze. Halb tot, halb lebendig – und das Ergebnis merkt man immer erst dann, wenn man genauer hinsieht.

Die Monstera, die letzte Woche noch stolz und sattgrün in voller Pracht strahlte, steht plötzlich traurig und blattlos da.

Der Kaktus, einst ein Pionier der Wüste, sieht aus wie ein vertrockneter Küchenschwamm, der leise und unbemerkt ins Nirwana diffundiert ist.

Bis dahin jedoch scheint alles in bester Ordnung. Zumindest, wenn man die Augen ein bisschen zusammenkneift.

Doch, liebe Leserinnen und Leser, so absurd es klingen mag, dieser morbide Rhythmus findet sich nicht nur in unseren Haushalten wieder. Nein, er spiegelt sich auch in unseren Ausbildungsbetrieben wider.

Azubis, diese zarten Pflänzchen der beruflichen Zukunft, werden mit Euphorie und besten Absichten begrüßt – nur um dann irgendwo zwischen überengagierter Überpflege, sträflicher Vernachlässigung und der seelenlosen Effizienz von Plastiklösungen ihr berufliches Leben auszuhauchen.


Die Monstera der Hoffnung – Wenn Überpflege erdrückt

Es beginnt immer mit Euphorie. Die neue Zimmerpflanze – Verzeihung, der neue Azubi – wird voller Tatendrang willkommen geheißen. Mit strahlenden Augen wird er ins Unternehmen gebracht, während die Monstera im Büro einen Topf bekommt, der so groß ist, dass darin bequem eine mittelgroße Familie hätte campieren können.

Der Baumarktkaktus hingegen, ohnehin von Natur aus eher genügsam, wird mit einer Gießkanne in Tankwagen-Größe „liebevoll“ ertränkt. Und der Rosmarin, diese zähe mediterrane Diva, landet direkt auf der Fensterbank über der Heizung, „weil er doch Wärme mag!

Das Ergebnis? Die Monstera wird ertränkt und der Rosmarin wird getrocknet, dass er sich spontan selbst als Gewürz anbietet. Und die Kakteen? Die stecken oft in einem paradoxen Zwischenzustand, in dem sie gleichzeitig ersaufen und vertrocknen – ein botanischer Albtraum, der sogar Schrödinger nachdenklich gemacht hätte.

Mit unseren Azubis passiert oft Ähnliches. Voller guter Absichten wird ihnen in der ersten Woche sämtliches Wissen der Berufszunft als Powerpoint reingewürgt, als wäre es ein intravenöser Bildungs-Tropf.

Die Vision des Unternehmens wird in epischer Breite vorgetragen – als sei sie eine Mischung aus göttlicher Offenbarung und dem Geheimrezept für Nutella – und am dritten Tag bekommen sie ihren eigenen Verantwortungsbereich.

Klingt gut? Nein.

Nicht jeder Azubi ist bereit für die pralle Sonne der Verantwortung oder den Dauerregen aus Feedback. Und wenn wir das ignorieren, bleibt am Ende nur ein trauriger Haufen Blätter. Oder noch schlimmer: ein Azubi, der aussieht wie eine Monstera, die sich heimlich in einen Farn verwandelt hat.


Der Wüstensand der Vernachlässigung – Wenn das Interesse verdorrt

Nach der ersten Begeisterung tritt Phase zwei ein: das schleichende Vergessen.

Die Monstera steht verlassen in einer dunklen Ecke, während der Staub auf ihren Blättern eine eigene Mikrobiologie entwickelt.

Der Rosmarin trocknet aus, während man sich fragt, ob er sich nicht direkt als Tischdekoration für ein italienisches Restaurant bewirbt.

Und der Kaktus? Der Kaktus wird irgendwann als „pflegeleicht“ abgestempelt und schlicht ignoriert – bis selbst er aufgibt und zu Staub zerfällt.

Ähnlich passiert es mit Azubis. Nach den ersten euphorischen Wochen heißt es plötzlich: „Die sollen selbstständig werden!“

Aber ohne Anleitung, ohne regelmäßige Gespräche und ohne echtes Interesse verdorren auch die motiviertesten Talente. Sie verlieren die Verbindung, die Orientierung – und schließlich die Lust. Denn Lernen ist kein Alleingang, sondern ein Prozess, der Pflege braucht.

Azubis sind keine Kakteen, die sechs Monate ohne Wasser überleben können. Sie brauchen Pflege, sonst werden sie zur Büro-Dekoration, die irgendwann stillschweigend entfernt wird.


Die Plastikpflanze des Ausbildungsmanagements – Leblos, aber pflegeleicht

Und dann gibt es noch die Plastikpflanze. Sie sieht immer perfekt aus, braucht keinen Tropfen Wasser und macht keinerlei Arbeit.

Viele Ausbildungsprogramme sind genau das – standardisiert, steril und ohne Leben. Die Azubis durchlaufen Module, als wären sie auf einem Fließband, füllen Checklisten aus, die so spannend sind wie die Bedienungsanleitung eines Wäschetrockners, und bekommen Feedback, das klingt wie ein Wetterbericht für den Spätherbst: „Ganz okay, aber insgesamt grau.“

Doch genau wie bei Plastikpflanzen ist der Preis hoch. Es gibt kein echtes Wachstum. Die Azubis lernen nicht, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen, sie entwickeln keine Persönlichkeit, keine Leidenschaft. Sie sehen vielleicht „funktional“ aus, sind aber im Inneren leblos. Kein Wurzeln. Kein Blühen. Kein Wachsen.


Vom Hospiz zur Oase – Wie wir Azubis und Zimmerpflanzen zum Blühen bringen

Es ist Zeit, den Haushalt – dieses botanische Hospiz – zu verlassen.

Zeit, aus dem Ausbildungsmanagement eine echte Oase zu machen, in der Azubis individuell wachsen können.

Nicht jede Pflanze braucht dasselbe, und nicht jeder Azubi lernt auf die gleiche Weise.

Was sie brauchen, ist nicht mehr Gießkannen und Checklisten – sondern Verständnis, Geduld und echtes Interesse.

Das bedeutet:

  • Gezielte Pflege statt Standardlösungen – Lernen wir, die Bedürfnisse jedes Azubis zu erkennen. Nicht jeder will der Kaktus der Buchhaltung sein – manche träumen von einer Orchideen-Karriere im Vertrieb.
  • Regelmäßige Aufmerksamkeit statt punktueller Überforderung – Ein Tropfen Wasser zur richtigen Zeit reicht oft aus. Dasselbe gilt für Feedback.
  • Echtes Leben statt Plastik – Azubis sind keine Maschinen und keine Deko. Sie sind Menschen, die wachsen wollen – und das nur können, wenn wir sie lassen.

Und hier kommt Talent2Go ins Spiel: eine Art „digitaler grüner Daumen“, der uns hilft, den individuellen Bedürfnissen von Azubis gerecht zu werden. Kein Plastik, kein Chaos, sondern echte Unterstützung.

Also, lassen Sie uns den Tag der Zimmerpflanzen nutzen, um uns daran zu erinnern: Weder Pflanzen noch Azubis sind dazu da, einfach nur „da zu sein“. Sie sind hier, um zu wachsen.

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