Kennen Sie Brot?
Also nicht dieses weiße, wabblige Toastbrot, das mehr Zusatzstoffe enthält als neonfarbene Limonade aus so manchen osteuropäischen Supermarkt-Ketten. Richtiges Brot. Urig in der Form, kraftvoll im Geschmack, manchmal auch zweckentfremdet als Suppenschüssel.
Seit Jahrtausenden ein stiller, aber nahrhafter Begleiter sämtlicher Kulturen. Und so wie sich Anthropologinnen und Anthropologen mit der Frage beschäftigen, ob der Mensch ohne Brot sein kann, beschäftigen wir uns mit der Frage, ob denn eine qualitativ hochwertige Ausbildung ohne das Engagement von Ausbilderinnen und Ausbildern sein kann.
Also schmieren Sie sich die Stulle Ihrer Wahl oder belegen Sie diese wahlweise mit einem Aufschnitt – es wird wieder nahrhaft.
Für die einen ist der heutige Weltbrottag ein weiterer kurioser Feiertag, für die anderen eine weitere Möglichkeit, auf ihre Glutenunverträglichkeit hinzuweisen. Denn Brot ist nicht einfach nur Nahrung. Brot ist der fermentierte Beweis, dass der Mensch gelernt hat, Geduld zu haben.
Irgendwann in der Geschichte stand da jemand, blickte auf eine Schüssel gärenden Breis, roch an der Blubberblase der Zukunft und sagte: „Das sieht verdächtig aus, das ess’ ich.“
Und siehe da: Es wurde Brot. Philosophisch gesprochen ist es die Urform jeglicher Pädagogik, denn wer Brot macht, lernt
Die Natur des Backens selbst, erhebt sich zur Lehrmeisterin. Denn man nehme: Mehl, diesen staubtrockenen Seufzer eines Getreidefeldes. Wasser, die banale Grundlage allen Seins. Salz, die Träne der Erde. Und Hefe, diesen mikroskopisch kleinen Anarchisten, der im Verborgenen gärt und das Ganze zu einem Spektakel des Aufbegehrens erhebt. Aus diesen Trivialitäten, ja, aus diesem Dreiklang der kulinarischen Bedeutungslosigkeit, erwächst durch die heilige Alchemie des Handwerks und die gnädige Patina der Zeit etwas Fundamentales.
Und just hier, meine werten Zuhörerinnen und Zuhörer, erkennen wir die unverschämte Parallele zur Berufspädagogik. Denn was ist ein Auszubildender anderes als ein ungeborener Teigling? Eine Ansammlung hoffnungsvoller Zutaten, die darauf wartet, von lehrmeisterlicher Hand geknetet zu werden, während die Zeit, dieser unbarmherzige Oberbäcker, gnadenlos die Sanduhr umdreht.
These: Das Pumpernickel der Pädagogik – Oder: Ohne Mehl kein Mensch
Betrachten wir zunächst die These, den Idealzustand: das Schwarzbrot! Genauer: der Pumpernickel. Dieser westfälische Monolith der Bekömmlichkeit, dieses in Laibform gegossene Versprechen von Substanz. Ein Brot, das nicht gebacken, sondern über Tage hinweg in der sanften Hitze des abklingenden Ofens zur Vollendung geläutert wird. Jede Scheibe ein Manifest der Geduld, dunkel, saftig, schwer wie ein guter Gedanke und nahrhaft wie ein ganzes Philosophiestudium zur Weihnachtszeit.
Dies ist der Traum vom soliden Handwerk. Der Altmeister, gebeugt über den Wissensamboss, der dem Lehrling, diesem rohen Teig, mit bedächtiger Hand das Siegel seines Könnens aufdrückt. Denn hier wird geformt. Jeder Lehrsatz wird wiederholt, bis er in die DNA des Novizen übergegangen ist.
Das Ergebnis: ein Geselle, so grundsolide wie eine Scheibe Pumpernickel mit guter Butter. Da weißte, watte hast.
Antithese: Das Toastbrot der Moderne – weichgespült, normiert, entseelt
Doch ist es des Menschen ewiger Antrieb, aus der Natur zu lernen, das Natürliche zu adaptieren und zu transformieren, um es letztendlich von der Natur zu entfremden. Die industrielle Moderne betritt die Bühne in der fahlen Gestalt des Toastbrotes. Ein backtechnischer Offenbarungseid, eine mehlgewordene Kapitulation vor der Effizienz. Dieses sogenannte Brot, das in seiner Herstellung mehr mit der Produktion von Styroporplatten gemein hat als mit ehrbarem Handwerk. Toastbrot!
Das „PowerPoint“ unter den Backwaren: glatt, standardisiert und inhaltlich überschaubar. Ein Brot ohne Charakter, aber mit einer exakten DIN-Norm für Krustenlosigkeit.
Und genau hier, in dieser aufgeblasenen Leere, spiegelt sich die grausame Realität vieler digitalisierter Ausbildungsprogramme wider. Der Azubi als standardisiertes Produkt. Durch Module geschleust wie ein Teigling auf dem Fließband. Denn ein Tabellenkalkulationsprogramm wie Excel ist zwar nützlich und auch ein Textverarbeitungsprogramm wie Word kann man verwenden, aber sie erzeugen doch anstelle von Mehrwert nur Mehrarbeit. Aus dem Handwerk der Bildung werden Excelschulungen. Und der Mensch im Mittelpunkt wird zur Scheibe im Toaster: Gleichmäßig gebräunt, aber innerlich leer und unter dem geringsten Druck – sei es von einer unerwarteten Frage oder einer Tomatenscheibe – jämmerlich in sich zusammenfallend. SVERWEIS() kann zwar einiges lösen, jedoch bietet es nicht die notwendige geistige Nahrung für junge Talente.
Synthese: Das Sauerteig-Prinzip – Bildung braucht eine lebendige Kultur
Doch jetzt, da der Brothimmel dunkel hängt und die Kruste zu brechen droht, kommt die Hegelsche Hefewende. Die Synthese! Denn genau wie ein guter Sauerteig lebt die Ausbildung von Widerspruch, Gärung und Zeit. Sie ist die Wiedergeburt einer alten Kunst in modernem Gewand: das Sauerteigbrot!
Der Sauerteig, dieser lebendige, atmende Organismus aus Mehl und Wasser, ist das Herzstück. Er ist die Unternehmenskultur, das über Generationen weitergegebene Wissen, das Anstellgut. Er muss gehegt und gepflegt werden, braucht Aufmerksamkeit und das richtige Futter. Er ist der Beweis, dass Gutes Zeit braucht, aber nicht die Ewigkeit. Der moderne Bäcker, der Berufspädagoge von heute, nimmt dieses traditionelle Herzstück und verbindet es mit neuen Mehlsorten, neuen Techniken, neuen Ideen.
Er weiß, dass jeder Teig – jeder Azubi – anders ist. Der eine braucht mehr Wärme, der andere mehr Ruhe. Der eine mehr Feuchtigkeit, der andere eine kräftigere Hand beim Kneten. Der Sauerteig-Pädagoge arbeitet nicht nach Checkliste, sondern nach Intuition, die auf Erfahrung fußt. Und die Digitalisierung? Sie ist nicht die Backstraße für Toast, sondern der moderne Ofen, der die Temperatur präzise hält, der Gärschrank, der für optimale Bedingungen sorgt. Sie ist das Werkzeug, das dem Meister dient, nicht der Prozess, der den Menschen ersetzt.
Epilog – Vom Krümel zum Kosmos
Am Ende des Weltbrottags bleibt die Erkenntnis: Wir sind alle ein bisschen Teig. Knetbar, wandelbar, manchmal klebrig – aber mit unendlichem Potenzial. Und die Digitalisierung der Berufspädagogik, wenn sie gut ist, ist der Backofen, der uns nicht verbrennt, sondern verwandelt. Echte digitale Transformation schafft aus Rohmasse Persönlichkeit. Aus Chaos Struktur. Und aus Zeit – Zukunft.
Und hier sei Talent2Go erwähnt, denn schließlich muss auch ich meine Brötchen verdienen. Denn Talent2Go ist nicht der Obstkorb für Ausbilder:innen und Auszubildende, sondern die Unterstützung für datengetriebene, digitale Transformation des berufspädagogischen Handwerkes. Eine ganzheitliche Lösung, die nicht nur die Akteure der Berufspädagogik miteinander verbindet, sondern auch Auszubildende sichtbar macht und Zeit mit fehlerhaften Tabellen und gelöschten Dokumentvorlagen erspart. Genau die Zeit, die man braucht, um ein junges Talent zu der besten Fachkraft der Zukunft zu machen.
Oder, um es mit der stillen Würde eines Holzofens zu sagen: Man kann den Azubi nicht fertig backen. Aber man kann ihm verdammt gut dabei helfen, aufzugehen.